Die Scharfmacher

Indische Restaurants in Wien

(C) Hans Mitlöhner und Richard Pönighaus

animierte indische Nationalflagge - 9KB

Dieser Artikel erschien im Standard vom 1.März 1997 in der Rubrik Test&Meinung

Die Herausforderung

Die indische Küche gehört zu den ganz großen unserer Welt. Der Subkontinent Indien wird von zirka einer Milliarde Menschen bewohnt und hat eine maximale Ausdehnung von 3200 Kilometer von Nord nach Süd und 2900 Kilometer von West nach Ost. Da ist es nicht erstaunlich, daß es nicht die indische Küche gibt, sondern daß eine große Vielfalt unterschiedlicher Regionalküchen existiert.

Derzeit ist die indische Küche in Wien mit nur 17 Restaurants vertreten. Verglichen mit der großen Anzahl von Lokalen anderer Welt-Küchen wie der chinesischen oder italienischen erschien es uns daher möglich, einen umfassenden Überblick über sämtliche indische Lokale in Wien zu gewinnen. Dieser 'Herausforderung' haben wir uns im letzten halben Jahr mit großer Freude gestellt und präsentieren im folgenden die Auswahl der nach unserer Meinung besten 7 indischen Restaurants.

Curry und landestypische Gerichte

Bei der indischen Küche denken viele Leute sicherlich zunächst an Curry. Ähnlich wie es nicht die indische Küche gibt, so gibt es auch nicht den Curry. Tatsächlich wird diese Mischung aus bis zu 30 Gewürzen (unter anderem Kardamon, Nelken, Koriander, Kreuzkümmel, Ingwer, Gelbwurz) von indischen Hausfrauen und Köchen nach ihrem persönlichen Geschmack zusammengestellt. Daraus wird eine Sauce zubereitet, in der die Fleisch- oder Fischstücke in einer Art Eintopf zubereitet werden. Im Gegensatz zu den indischen Lokalen in Österreich wird aufgrund religiöser Vorschriften für Hindus und Moslems in Indien meist weder Rind- noch Schweinefleisch verwendet; stattdessen werden neben Geflügel- und Lammfleisch eine große Zahl raffiniert zubereiteter vegetarischer Spezialitäten bevorzugt. Auch dem österreichischen Gast seien die eher landestypischen Gerichte wärmstens empfohlen.

Cartoon aus Standardartikel - 87 KB

Der Besuch eines indischen Restaurants

Bei einem Besuch in einem indischen Lokal erhält der Gast zunächst einen Korb mit Papadam. Diese schmackhaften und würzigen, hauchdünnen Fladen werden aus Linsenteig gebacken und als Appetizer gereicht.

Als nächstes ist eine Suppe zu empfehlen, wobei wir vor allem die Mulligatawny-Suppe besonders zu schätzen gelernt haben. Die Kombination aus indischen Linsen und einer dünnen Zitronenscheibe verleiht ihr einen für österreichische Gaumen sehr ungewöhnlichen, aber würzig-frischen Geschmack. Daneben finden sich auf fast allen Speisekarten Tomatencremesuppe sowie Palak-Suppe (Spinatcremesuppe mit reichlich Knoblauch).

Die Hauptspeisen werden auf den Speisekarten nach Fleischsorten geordnet. Entsprechend den indischen Gewohnheiten finden wir zunächst Huhn (Murgh) und Lamm (Gosht) daneben aber auch Rindfleisch (Beef) und Schweinefleisch (Sur) gefolgt von Fisch und vegetarischen Speisen. Gesondert aufgeführt werden Tandoori-Gerichte die mit Holzkohle in einem Lehmofen gegrillt werden. Tandoori-Öfen sind aber nicht in allen Wiener Lokalen zu finden.

Die Hauptspeise wird typischerweise in einer Metallschale auf Warmhalteplatte gereicht. Auf einem Extra-Tablett wird die Beilage serviert, wobei der Gast hier zwischen Fladenbrot und Reis wählen kann. Als Fladenbrot können wir das tropfenförmige, im Tandoori-Ofen gebackene Nan empfehlen. Reis gibt es in verschiedenen Varianten; bei einigen Gerichten steht der Reis auch im Vordergrund, und Fleisch und Gemüse werden zugemischt (zum Beispiel ist der mit Safran gewürzte Biriyani-Reis sehr zu empfehlen!).


Die Schärfe

Die Schärfe indischer Speisen ist sicherlich wesentlich dafür verantwortlich, daß kaum ein Besucher der indischen Küche gegenüber eine indifferente Meinung hat:

Entweder man liebt sie oder meidet sie.

Bei allen Gerichten kann zwischen unterschiedlichen Schärfegraden gewählt werden. Besonders südindische Gerichte (zum Beispiel Madras, Vindalloo) sind tendenziell für unseren Geschmack sehr scharf.

Auf der Karte als "scharf" bezeichnete Speisen sind daher für Anfänger mit empfindlichem Gaumen nicht zu empfehlen; ansonsten sind Schweißausbrüche, Atemnot und erschöpftes Stöhnen zu befürchten, was leider schon so manchem Neugierigen für alle Zeiten das Interesse an der indischen Küche genommenen hat. Die Schärfe vieler Speisen in Indien haben allerdings einen realistischen Hintergrund: scharf gewürzte Speisen halten sich länger. In unseren Breitegraden machen die stark gewürzten Speisen dagegen zusätzlich Appetit auf die köstlichen Getränke, wobei unser Favorit Mango Lassi ist; eine mit Wasser gestreckte Buttermilch, die mit Mango-Saft verfeinert und zusätzlich häufig mit Mandelsplittern garniert wird.

Die Bewertung

Neben der Bewertung der Speisen (S) waren für uns bei der Auswahl der Lokale die Atmosphäre im Lokal (A) und die Bedienung (B) von Bedeutung. Das Preisniveau war für uns kein Kriterium, da bei den meisten indischen Lokalen mit ca. 100-130 ÖS für eine Hauptspeise zu rechnen ist. Dazu kommen 30-40 ÖS für eine Suppe und etwa ähnlich viel für ein Getränk wie Mango Lassi; in Summe müssen also ca. 200 Schilling für einen schönen, exotischen Abend in einem indischen Restaurant veranschlagt werden.

Die Spitzengruppe

Aus unserer Sicht gehören zur Spitzengruppe das Kairaly, Jaipur Palace und Mogulhof.

Moghulhof: 7., Burggasse 12 (526 28 64)

Müßten wir einen einzigen Testsieger küren, so würde unsere Wahl auf den Mogulhof fallen: der beste Inder in der Stadt! Hervorragende Speisen (S:1), die bei Bedarf auch mild zubereitet werden. Angenehme, stimmungsvolle Atmosphäre (A:1); relativ kleines, in rot gehaltenes Lokal (Reservierung am Wochenende empfohlen). Die sehr freundliche Kellnerin (B:1) serviert in langen, wallenden indischen Gewand. Gut erreichbar (Nähe Volkstheater).

Jaipur Palace: 9., Brünnlbadgasse 15 (402 21 23).

Liegt etwas ablegen; Lokal dafür umso heimeliger. Mit bunten Lampen, Figuren und dunkelblauen Samttapeten (A:1). Offenbar nicht sehr bekannt und daher auch nicht überfüllt (noch ein echter Geheimtip). Nette Bedienung serviert in indischer Tracht (B:1). Zu empfehlen: die Natraj-Platte für zwei Personen (S:1).

Kairaly: 4., Prinz-Eugen-Strasse 56 (505 18 21)

Südindische Spezialitäten aus der Provinz Kerala; die Speisen werden auf Wunsch regionstypisch auch sehr scharf (!) zubereitet (S:1). Große, hohe Räume mit riesigen Landschaftsbildern und Bildern von Kathakali-Tänzern - eindrucksvoll geschminkte Ausdruckstänzer (A:1). Korrekte, zurückhaltende, aber ebenso freundliche Bedienung (B:1). Etwas abgelegen, viele Tische - noch ein Geheimtip.

Das gute Mittelfeld:

Rani: 6., Otto-Bauer-Gasse 21 (596 51 11)

Auf den ersten Eindruck etwas ungemütlich, dann aber doch angenehme Atmosphäre mit heimeligem Hinterzimmer (A:2). Überaus freundliches, zudem zahlreiches Personal (B:1). Essen auf Wunsch wirklich scharf (S:2). Nähe Mariahilferstraße und Shalimar. Tischreservierung empfohlen.

Bombay: 7., Neubaugasse 75 (Ecke Neustiftgasse, 523 44 50).

Vielen bekannt als das klassische indische Restaurant. Eher kleiner, in dunkelrot gehaltener Hauptraum; bei Bedarf aber auch im Keller Platz für größere Gesellschaften (A:2). Bedienung gelegentlich etwas launig (B:3). Überdurchschnittlich große Portionen; für Wagemutige: die Madras-Platte - sehr viel, sehr scharf (S:2).

Shalimar: 6., Schmalzhofgasse 11 (596 43 17).

Aufwendig eingerichtet; stimmungsvoll dunkler Grundton; viele Wandnischen mit Statuen. Unseres Wissens der einzige Inder mit Gastgarten (A:1). Gute Küche (S:2). Korrekte Bedienung (B:2). Originell: Speisekarte im Holzrahmen, außerdem - leider - nicht ganz unpassend: die Rechnung wird in einer kleinen, hölzernen Schatztruhe gereicht.

Tandoor: 18., Antonigasse 9 (406 41 16).

Laut dortigem Ausgang das erste indische Restaurant Wiens mit Tandoor-Lehmofen. Etwas abgelegen; Sitar- und Tabla-Musik in ungewöhnlich guter Tonqualität empfangen uns bereits am Eingang. Theke mit elektrisch glitzerndem Sternenhimmel. Geräumiges Lokal, daß allerdings leider etwas leer wirkt (A:3). Speisen einwandfrei - wenn auch Portionen etwas kleiner als gewohnt (S:1). Lustige, sehr freundliche Bedienung (B:1).

Restaurant-Bewertung für alle Indienbegeisterten im Internet

Wir sind uns bewußt, daß unsere Auswahl der 7 besten indischen Restaurants zwangsläufig subjektiv sein muß. Die komplette Liste aller von uns besuchten Lokale mit zugehöriger Bewertung finden Sie im Internet unter http://www.wu-wien.ac.at/usr/mitloehn/indien. Hier haben wir für Indienbegeisterte und solche, die es vielleicht noch werden, zusätzlich die Möglichkeit eingerichtet, eine eigene Bewertung vorzunehmen.